Ökumene

Metzger hat 1938/39 die ökumenische Bruderschaft "Una Sancta" gegründet. Die ökumenische Arbeit war nun sein großes Arbeitsfeld geworden. Sie forderte seine ganze Schaffenskraft. Das ging soweit, daß man ihm sogar vorzuwerfen schien, er vernachlässige dafür seine Christkönigsgesellschaft in Meitingen. Metzger tritt in seinem "letzten Willen" aus dem Gefängnis diesem Vorurteil entgegen. Sein Einsatz für die Una Sancta wie der Aufbau der Christkönigsgesellschaft gelte demselben Dienst für die Einheit der Kirche. In den vorliegenden Dokumenten aus der Gefangenschaft sind zwar Zeugnisse seiner ökumenischen Versöhnungsanstrengungen nicht so häufig, der ökumenische Geist begleitet aber Metzger nichtsdestoweniger in dieser Zeit. Zwei schöne Zeugnisse dafür sind das Gedicht "Una Sancta" und das "Gebet um Einheit". Metzger konnte sich während seiner Haft in seiner ökumenischen Gesinnung bewähren. Diese blitzt hin und wieder plötzlich auf. So schreibt er in einem Brief an die Schwestern, für einige Tage sei der Vorsitzende des Deutschen Freidenkerbundes sein Zellengenosse gewesen und er habe eine hohe Achtung vor diesem bekommen, und er fährt fort: "Ich fand in ihm einen Charakter, der vornehm und gerecht urteilte und gute Kameradschaft pflegte... Ja, ich möchte irgendwie einen solchen Menschen mehr zur Gemeinde Christi rechnen als viele Getaufte, deren Seele unberührt geblieben ist vom heiligen Pneuma Christi". Aber es fehlt in dieser Zeit der Gefangenschaft auch nicht an grundsätzlichen Überlegungen zur Lage der Einheit der Christen. Immer wieder ist auf das Schreiben Metzgers an Pius XII. vom Advent 1939 zurückzukommen. Es ist das bewegende Dokument eines Rufers zur Einheit der Christen. Das Schreiben kann als ein Höhepunkt der langen Entwicklung des Reifens und Fruchtbarwerdens ökumenischer Überzeugungen Metzgers angesehen werden.

Friedensarbeit in der Welt und Versöhnungsbestreben unter den Kirchen lassen sich m.E. aus ein und derselben Wurzel in Metzgers Persönlichkeit erklären. Manche Historiker haben daraus eine Zwiespältigkeit in der Person Metzgers konstruieren wollen. Nach ihnen wäre Metzger mit seiner Friedensarbeit gescheitert; er hätte erkannt, daß seine Bemühungen um den Frieden vergebliche Liebesmühe waren, und er hätte sich deshalb dem erfolgversprechenden Gebiet der Ökumene zugewandt. In der Tat haben die ökumenischen Bemühungen offensichtlich nach seinem Tode mehr Frucht getragen als seine Friedensarbeit. Die Früchte sind heute noch sichtbar. Aber es gilt zu erkennen, daß die Spaltung der Kirchen für Metzger schon von Anfang an ein Ärgernis war und daß er von Anfang an um eine künftige Versöhnung der Kirchen bemüht war. Das belegt m.E. unzweifelhaft ein Programmwort aus dem Zettelkasten des Studenten, wo unübersehbar für das Leben festgehalten wird: "Versöhnung der christlichen Konfessionen". Allerdings bedurfte es einer gewissen Zeit, bis diese tiefsitzenden ökumenischen Antriebe Metzgers auch an die Öffentlichkeit kamen.

Ich kann nur wieder einige wenige Stationen dieses ökumenischen Lebensweges im Dienst der Einheit der Kirchen andeuten. Seit 1923 beschäftigte sich Metzger verstärkt mit Fragen der Ökumene. Mögliche Gründe dafür habe ich schon genannt. Er sagte es immer wieder, wie sehr es ihn in der damaligen Weltsituation bedränge, daß im christlichen Abendland das Vermächtnis des Herrn, "daß alle eins seien", pervertiert war. So verwundert es nicht, daß Metzgers ökumenische Antriebe aus seiner Friedensarbeit erwuchsen. Eine erste größere Initiative dafür läßt sich auf dem ersten Internationalen Kongreß des Versöhnungsbundes 1923 in Nyborg erkennen. Dort waren Metzger und Prof Dr. Hermann Hoffmann die einzigen katholischen Theologen; dort scheint ihm aufgegangen zu sein, wie sehr der Friede in Europa mit dem Frieden unter den Konfessionen zusammenhing. Er berief deshalb während des Kongresses eine Versammlung aller etwa fünfzig anwesenden Theologen ein, um eine gemeinsame Erklärung über Kirche und Krieg zu verabschieden. Wie der ebenfalls anwesende Prof.Dr.Hoffmann konstatierte, war dies die erste Erklärung kirchlicher Kreise und die erste überkonfessionelle Äußerung zu diesem Thema. Von Nyborg angeregt veranstaltete Metzger dann im Juni 1924 in Graz eine Diskussion zum Thema "Die Protestanten und wir". Er selbst hielt ein fast zweistündiges Eröffnungsreferat. Er rief zum gegenseitigen Verständnis als erstem Schritt der Annäherung der Kirchen auf. Als er dann äußerte, das Ziel der Gemeinschaft aller Christen sollte in der Rückkehr zur katholischen Kirche gesehen werden, kam es zu einer heftig geführten Debatte. An dieser Stelle bemerkte Metzger wohl selbst, daß dieser Weg der Bekehrung zur römisch-katholischen Kirche für die anderen Kirchen kaum gangbar wäre. Jedenfalls ist festzustellen, daß er später nie mehr eine solche ausdrückliche Forderung erhob. Aber diese anfänglichen Schwierigkeiten ließen ihn in seinen weiteren ökumenischen Bestrebungen nicht beirren.

Eine grundlegende Erfahrung mit der Weltkirche wird man mit dem Jahr 1927 verbinden dürfen. Damals nahmen Metzger und Prof. Dr. Hermann Hoffmann als einzige katholische Vertreter an der bedeutsamen Weltkirchenrats-Konferenz in Lausanne teil. Dort dürfte ihm die Lage der Kirche Jesu Christi offen vor Augen geführt worden sein. Er war nach Lausanne gereist, obwohl man diesen seinen Vorstoß in katholischen Kreisen gar nicht gerne sah. Rom hatte ihm die Erlaubnis für den Fall erteilt, daß der Bischof von Lausanne zustimme. Dieses war geschehen. Metzger hinterließ einen Bericht von der Konferenz, in dem er bemerkte, daß ihm "täglich persönliche Aussprachen mit führenden Vertretern von Ost und West" möglich waren. Er kommt zu dem Schluß: "An uns Katholiken ist es, alle Einigungsbestrebungen, wo sie auch zunächst ohne uns in Angriff genommen werden, mit allem Wohlwollen und dem schuldigen Interesse zu verfolgen". Metzger verfolgte dann aus der Ferne die Kirchenkonferenz in Stockholm mit großem Interesse.

Im Winter 1938/39 gründete Metzger eine Bruderschaft mit dem Namen "Una-Sancta". In diesem Winter war Metzger besonders von dem Vers Jo 17,21 "Daß alle eins seien" gepackt worden. Die Schriftstelle verfolgte ihn bis in den Schlaf. Er litt darunter, daß dieses Testament des Herrn noch nicht erfüllt ist. Immer wieder sprach er mit seinen nächsten Mitarbeitern darüber, schrieb Priesterfreunden und suchte Wege des Gesprächs. Schließlich verfaßte er einen Zettel mit drei Einheitsgebeten, darunter auch das Hohepriesterliche Gebet aus Jo 17, ließ ihn drucken und im Januar 1939 durch Mitglieder seiner Gesellschaft an Kirchentüren unter das Volk verteilen. Er schrieb zahlreiche Artikel. In "Die Einheit der Christenheit als Gegebenheit und Aufgabe" formuliert er etwa die gemeinsame Grundlage der christlichen Kirchen:

"...Wir bekennen alle einen lebendigen, persönlichen Gott, Schöpfer Himmels und der Erde. Wir glauben an ihn als den VATER aller Menschen... Wir bekennen einen Herrn und Mittler, der zwischen Gott und den Menschen steht... Wir glauben an ihn als den Erlöser aller Menschheit, dessen Kreuzestod das befreiende Liebesopfer ist, durch das alles Heil kommt... Wir erwarten seine Wiederkunft als Richter der Lebenden und Toten, als Vollender des Reiches... Wir glauben an dieses 'Reich Gottes', das ein Reich gnadenhafter Erwählung ist, in dem die einzelnen durch Taufe und Glaube Heimatrecht erhalten, in dem sie sich bewahren sollen durch die Früchte des Heiligen Geistes, in dem alle verbunden sind durch eine Gemeinschaft der Heiligen.

Wir 'Christen' aller Denominationen tragen den Namen unseres Herrn. Wir beten alle sein Gebet (das 'Vater unser'). Wir danken ihm alle die gleiche 'Frohe Botschaft' und hüten als deren vornehmsten Ausdruck 'das Buch', die Schriften des Alten und Neuen Testaments, die dem gleichen Geist entstammen.

Eine jahrtausendalte gemeinsame Geschichte hat uns ein gemeinsames religiöses und ethisches Erbgut hinterlassen. All das ist 'christliche Einheit' als eine unbezweifelbare Realität...".

Zu Pfingsten 1939 wandte sich Metzger in einer Postwurfsendung an alle evangelischen Pfarrer Deutschlands und lud sie zu gemeinsamen brüderlichen Gesprächen ein. Das Schreiben beginnt: "Im Herrn geliebter Mitbruder! Nie drängt sich mir das Hohepriesterliche Gebet des Herrn (Joh 17) eindringlicher ins Bewußtsein als in diesen Tagen vor Pfingsten. War's nicht in jenen Stunden, daß er seinen Jüngern den Parakleten verhieß, das heilige Pneuma? Erwartete er nicht von ihm, daß er die Seinen alles lehren werde, was sie vorher nicht zu fassen vermochten? Erwartete er von ihm nicht auch die Erfüllung seines stürmischen Verlangens, 'daß alle eins würden...? Leiden Sie nicht mit mir, mein Bruder, daß das Herzensanliegen des Herrn so wenig sinnfällig verwirklicht ist? Litten wir nicht darum, wir wären wahrlich seine Jünger nicht...". Das Echo auf die Postwurfsendung war groß und meist positiv, wenn auch Stimmen darunter waren, die hinter dem Schreiber "einen gewißen Agenten der 'Propaganda fidei'" oder einen "schlauen Jesuiten" vermuteten.

Seit dieser Zeit kamen in Meitingen ökumenische Tagungen mit Theologen verschiedenster Konfessionen zustande. Man kann sagen, diese Treffen in Meitingen waren die ersten großen ökumenischen Begegnungen der Kirchen in Deutschland. Es sind die Vorgänger der ökumenischen Tagungen, die bald nach dem Krieg organisiert werden sollten. An Pfingsten 1939 fand die erste Begegnung statt. Sie hatte ein erstes Gespräch und eine erste Annäherung unter den Kirchen zum Ziel. Ihr Erfolg wurde von allen Seiten anerkannt. Zur zweiten Tagung im August 1940 ebenfalls in Meitingen, die wegen ihres Erfolges im November in Berlin wiederholt wurde, hatte man sich bereits an das ambitionierte und kontroverse Thema der "Kirche" herangewagt. Metzger war der von allen Seiten anerkannte Motor dieser Treffen. Er beteiligte sich selbst jeweils durch Vorträge an ihnen. Sein Bestreben läßt sich etwa aus seinen folgenden Aussagen ersehen:

"Wäre es nicht wahrhaft christlich, katholisch und evangelisch zugleich, dort noch einmal anzufangen, wo man einst den gemeinsamen Weg Christi verlassen hat, sich wieder zu besinnen auf das grundlegende Gemeinsame des einen Glaubens und der einen Taufe? Die Rettung aus der Not, die, Gott sei Dank, immer mehr Menschen auf der Seele brennt, ist nur gegeben in dem einen: Christus in seiner Wahrheit, seiner Liebe. Fort mit aller Rechthaberei, die nicht Christus sucht, sondern den Sieg der eigenen Meinung. Fort mit allen Vorurteilen, die hüben und drüben durch die Jahrhunderte geschleppt werden, mögen sie auch noch so oft wissenschaftlich erledigt worden sein... Vertrauen zum guten Wollen, zu echter Bereitschaft des andern ist Pflicht der Wahrhaftigkeit und Gerechtigkeit, solange nicht das Gegenteil klar bewiesen ist. Demut tut not... Es ist kein Zweifel, daß bei gegenseitigem guten Willen vieles beiseite geschafft werden könnte, was uns heute scheidet...".

Die Una-Sancta-Kreise breiteten sich über ganz Deutschland aus. Es ist eine Tragik der Geschichte, daß Metzger durch eine Sympathisantin des Kreises in Berlin verraten wurde. Dagmar Imgart war eine getarnte Agentin und lieferte Metzger 1943 der Gestapo aus. Das kam nicht ganz von ungefähr. Denn ein Mann wie Metzger, der beide Großkirchen in Deutschland mobilisierte, war für die Gestapo subversiv. Metzger siedelte nach Berlin über, um der Überwachung zu entgehen und seine ökumenischen Initiativen ruhig weiterverfolgen zu können. Am Ende schnappte die Falle zu.

Das Schreiben an Papst Pius XII. kann als Metzgers großes ökumenisches Vermächtnis seiner Bestrebungen der damaligen Zeit und als bewegende Gedenkschrift für unsere Zeit angesehen werden. Ich will nur insgesamt dazu sagen, daß Metzgers Gedanken zur Zeit seiner Gefangenschaft in keiner Weise getrübt waren, sondern im Gegenteil eine ungemein helle Klarheit ausstrahlen. Dieser Brief ist eine Programmschrift der Ökumene, in der alle wesentlichen Gedanken Metzgers zur Einheit der Kirchen noch einmal festgehalten sind und in prophetischer Schau für die Zukunft fortgeschrieben werden.

"Ich könnte mir denken, daß Ew.Heiligkeit etwa zwölf Männer Ihres Vertrauens, anerkannte kirchliche Persönlichkeiten von bewährtem theologischem Wissen, festem Glauben und zugleich entsprechender Geisteswelt, Demut und Liebe, bestimmen könnten, zumeist den Ländern entstammend, in denen die kirchliche Trennung sich auswirkt und daher den dadurch aufgeworfenen Fragen nahe -, die sodann im Auftrag Ew.Heiligkeit mit einer gleichen Anzahl führender Vertreter der getrennten kirchlichen Gemeinschaften eine erste Fühlungnahme versuchen sollten. Es müßte dabei mit größtem Bedacht und mit sorgfältiger Auswahl der geeigneten Persönlichkeiten vorgegangen werden. Aber es würden zweifellos aus allen getrennten Gemeinschaften in Deutschland, England, Amerika, den nordischen Ländern sowie vor allem auch dem Orient ernsthafte und wohlmeinende und dabei ins Gewicht fallende Persönlichkeiten zu finden sein, die ein erstes vertrauliches Gespräch beginnen könnten und wollten. Vielleicht würde Assisi der geeignete Ort sein, wo der Geist des von allen Christen ohne Unterschied verehrten Poverello eine Atmosphäre des Friedens und der Versöhnung begünstigen würde. Der Zweck dieser ersten Aussprachen müßte sein eine objektive Bestandsaufnahme der tatsächlichen Schwierigkeiten sowie auch der offenbar werdenden Möglichkeiten der Annäherung. Die Gutachten der von Ew.Heiligkeit beauftragten Vertrauenspersonen müßten dann in einer von Ew.Heiligkeit zu bestellenden römischen Kommission eingehend bearbeitet werden, um so die Voraussetzungen zu schaffen für die Verwirklichung des großen Planes, der das Werk - zu der von Gott gewollten Zeit - krönen würde: die Einberufung eines allgemeinen Konzils, das der neugeeinten Kirche das neue Gesicht zu geben berufen wäre."

Quelle: Uni Augsburg