Lebensopfer

Ein Mann wie M.J.Metzger mußte den Mächtigen des Naziregimes ein Dorn im Auge sein. Dieser Mann war wegen seiner pazifistischen Gesinnung seit Jahren bekannt; er predigte die Völkerverständigung und verurteilte scharf jede Form des Rassismus. Er sprach so vom "Reich Gottes", daß es ein Affront gegen das "Tausendjährige Reich" auf Erden sein mußte. Er bemühte sich um die Einheit der Kirchen und brachte in Deutschland die Konfessionen einander näher. Die Naziherrschaft reagiert sehr schnell auf seine suspekte Person. Eine kleine Denkschrift zum Thema Kirche und Staat genügte, um Metzger bereits 1934 ins Gefängnis von Augsburg zu bringen. Um 1939 war man im Umkreis des Attentates auf Hitler im Bürgerbräukeller in München schnell zur Hand, Metzger ein zweites Mal zu inhaftieren. In den letzten Jahren wurden die Tagungen, die von Metzger veranstaltet wurden, systematisch überwacht; es wurde ihm verboten, Druckschriften zu veröffentlichen und in Umlauf zu bringen. Metzger wollte diesem Druck entkommen und siedelte deshalb nach Berlin um. Dort ereilte ihn schließlich der Verrat und das Todesurteil.

Metzger war sich klar, daß ihm die äußeren Umstände sehr entgegenstanden. Aber auch mit den Lebensaufgaben, die er sich gestellt hatte, ging es zögerlich voran. Den Zeitumständen entsprechend, konnte die Sache des Friedens schon gar nicht und die Verbreitung des Reiches Gottes auf Erden nur schwerlich vorankommen. Zudem war die Arbeit Metzgers zeitlebens von Mißverständnissen zu seiner Person und zu seinem Werk begleitet - ein Kapitel, das eigens behandelt werden müßte. Irgendwann scheint Metzger deshalb zur Einsicht gekommen zu sein, daß sein Lebenswerk vielleicht nur auf eine einzige Weise zu Ende kommen könnte: durch sein Lebensopfer... Und in der Tat verdichtet sich diese Überzeugung in den letzten Jahren zunehmend und wird in den Gefängnisjahren von Berlin geradezu zur bewußten Einstellung auf das Martyrium. Diese Einstellung setzte in Metzger offfensichtlich noch einmal Kräfte frei, so daß er geradezu über sich hinauswuchs und am Ende als große leuchtende Märtyrergestalt vor denen stand, die ihn bis zuletzt begleiteten, ein Märtyrer, der mit bereitwillig offenen Händen sein Lebensopfer Gott anbot.

Marta Figelius vom Christkönigsinstitut hat einmal eine bewegende Dokumentation dieser inneren Entwicklung des Lebensopfers Metzgers zusammengestellt, wie sie sich in den Gefangenschaftsbriefen und Aussagen von Zeugen rekonstruieren läßt.

In jener zweiten Gefangenschaft 1939 in Augsburg scheint Metzger klar geworden zu sein, daß er zwar alle seine Kräfte für das Kommen des Reiches Gottes auf Erden einsetzen müsse, aber daß es durchaus sein könne, daß Gott dazu einen anderen Weg vorsehe. Er dichtete in der letzten Strophe des Gedichtes "Pfingsten":

"Doch wär's, daß nur um meines Lebens Preis
des Heil'gen Geistes Reich der Menschheit würde -
ich opfert's gern dem Heil der Welt...
Herr! Nimm es an! Laß Pfingsten werden!".

Darin ist wie eine Ahnung ausgesprochen, daß das eigene Lebensopfer vielleicht der höchste und letzte Einsatz sein könnte, den Gott von Metzger wollte. Aber es ist auch noch so etwas wie ein inneres Abwägen dabei, ob Gott dies wohl wolle. Sollte es Gottes Wille sein, dann würde Metzger gern zustimmen. Es wäre eine Zustimmung zum Martyrium.

Ganz anders gute zwei Jahre danach in einem geistlichen Testament, das Metzger Anfang der Fastenzeit 1942 den Brüdern und Schwestern der Christkönigsgesellschaft hinterlassen hat. Dort heißt es:

"Nichts könnte meinem Leben
einen sinnvolleren Abschluß geben,
als wenn ich für den Frieden Christi
im Reich Christi mein Leben hingeben dürfte".

Bei dieser Aussage war Metzger noch auf freiem Fuß. Aber schon beeindruckt die Klarheit, die er über sein Leben gewonnen hat. Er kann kaum mehr annehmen, daß seine Ziele zu einem natürlichen Abschluß kommen können. Die Herren dieser Welt werden es nicht zulassen. Aber da wäre noch die größte Gnade, die ihm geschenkt werden könnte, wie Metzger es sieht, wenn er sein Leben hingeben dürfte... für den Frieden und für das Reich Christi. Diesen äußersten Lebenseinsatz wollte er für seine Sache noch wagen.

Aus diesen Andeutungen über sein vorausgeahntes Lebensende ist dann in den Gefängnissen von Berlin die starke und klare Gewißheit bei Metzger herangewachsen, wie sie uns heute auf dem Grabstein in Meitingen begegnet: "Ich habe mein Leben Gott angeboten für den Frieden der Welt und für die Einheit der Kirche". Metzger hat darin das Vermächtnis seines Lebens erkannt und den Seinen immer wieder kundgetan. Er scheint an diesem Vermächtnis selbst Sicherheit und Selbstgewißheit gefunden zu haben. Er hat es mit den gleichen Worten in den Tagen vor seiner Verurteilung durch den Volksgerichtshof in Berlin seinen Freunden in Briefen mitgeteilt und hat es in neuerlichen Briefen wenige Tage nach der Verurteilung aus Berlin immer wieder wiederholt: "Ich habe mein Leben Gott angeboten...". Erschütternd vor allem die Begegnung mit Frau Martha Reimann nach der Verurteilung im Souterrain der Schule, als Metzger, beide Hände nach hinten gefesselt und von der Polizei begleitet, weggeführt wurde. Frau Reimann schreibt, was Metzger ihr noch sagen konnte: "Nun ist es also geschehen. Ich bin ruhig. Ich habe mein Leben Gott angeboten für den Frieden der Welt und die Einheit der Kirche. Wenn Gott es annimmt, freue ich mich; wenn ER mir noch weiter das Leben schenkt, bin ich auch dankbar. Sagt allen Brüdern und Schwestern einen letzten Gruß, und seid nicht traurig. Das Christkönigsfest wird etwas schwer werden, aber singt trotzdem Alleluja. Und bleibt Eurem König Christus treu."

Für Montag, den 17.April 1944, waren im Gefängnis Berlin-Brandenburg 30 Hinrichtungen vorgesehen. 29 Namen waren bekannt; der Name Metzger war aus unbekannten Gründen verheimlicht. Metzger selbst hat etwa eineinhalb Stunden vor seinem Tod durch den Gefängnispfarrer von der Hinrichtung erfahren. In aller Eile hat er noch zwei Abschiedsbriefe geschrieben. Diese beiden Briefe blieben lange Zeit unbekannt, bis sie nach 26 Jahren in der DDR veröffentlicht wurden. Sie liegen noch heute im SED-Archiv in Ostberlin. In den Briefen kann nun Metzger sein gewisses Ja zu seinem Lebensopfer geben. Er weiß, jetzt ist die Stunde gekommen. Der Letzte Brief von Metzger lautet:

"Meine viellieben Brüder und Schwestern!

Nun will der Herr von mir das Lebensopfer. Ich sag mein frohes Ja zu seinem Willen. Ich hab' Ihm ja das Leben angeboten für den Frieden der Welt und die Einheit der Kirche - Er will es haben. Möchte er es segnen!

Ich nehme von Euch Abschied, indem ich Euch um Verzeihung bitte für alles, worin ich Euch nicht das Beispiel war, an dem Ihr Euch zu Ihm gezogen fühlen konntet. Möchte ER nun Euer Hirte sein! Bleibt der SXPR treu! Möchte sie der Herr sich noch zum Werkzeug gestalten nach Seinem Willen!

Er muß König sein!

Ich muß schließen!

Der Herr segne Euch alle und gebe Euch ein frohes Herz zum Dienen!

Dient Ihm in den Brüdern!

Ich bin froh, daß ich Euch doch noch ein wenig geistiges Testament hinterlassen durfte. Wie er will!-

In Te speravi!

In Treue bis zum Letzten!

Br. Paulus

v.d.göttl.Vorsehung."


M. J. Metzger wurde durch das Fallbeil hingerichtet. Der frühere Gefängnispfarrer Peter Buchholz gab 1952 in einer Ansprache das Zeugnis über ein Wort des Henkers ab, der ihm nach der Hinrichtung gesagt haben soll, er habe wohl "noch nie einen Menschen mit so frohleuchtenden Augen in den Tod gehen sehen" wie diesen katholischen Geistlichen... Metzger war sich seines Martyriums wohl gewiß und erstaunlicherweise froh.

Quelle: Uni Augsburg