Friedensarbeit

Metzger hat sein Leben als Dienst für den Frieden in der Welt verstanden. Er war zeitlebens "Pazifist". Die Friedensarbeit stand über anderthalb Jahrzehnte, nämlich seit dem 1. Weltkrieg und bis zum Ende der 20er Jahre, bei ihm im Mittelpunkt. Danach schien er sich zurückzuziehen. Aber der äußere Anschein trog. Metzger äußerte sich 1943 dazu: "Seit 1928, wo ich mit dem Sitz unserer Christkönigsgesellschaft nach Meitingen bei Augsburg übersiedelte, bin ich in der Friedensbewegung zurückgetreten, nicht weil ich meine Anschauungen geändert hätte, sondern weil die organisatorischen Schwierigkeiten der Neugründung unserer Christkönigs-Gesellschaft mich ganz in Anspruch nahmen". In den letzten Lebensjahren sollte ihm seine Friedensgesinnung zum Schicksal werden. Die Niederschrift eines Schriftsatzes zur künftigen Sicherung des Friedens in Deutschland, das im Jahre 1943 entworfene "Memorandum" an einen schwedischen Bischof, sollte ihm das Todesurteil einbringen. Es war Metzgers letzter verzweifelter Versuch, einen Beitrag für den Frieden im Nachkriegsdeutschland zu leisten. Seit er den 2. Weltkrieg heraufkommen sah, konnte er seine Abstinenz in Friedensangelegenheiten nicht mehr einhalten. Ein bewegendes Dokument dazu ist das Schreiben an Pius XII. vom Advent 1939. Aber auch in seinen Rechtfertigungsschriften gegenüber seinen Anklägern beschäftigt ihn fast nur die Sache des Friedens in verzweifelter Kriegszeit. Er beruft sich immer wieder auf sein früheres Eintreten für den Frieden aus der Zeit seiner aktiven Friedensarbeit. Es ist kein Abstand dazu wahrzunehmen (ebd.). In Briefen aus der Zelle gesteht er: "Meine Sorgen gehen auf die Zukunft unseres Volkes; dafür zu leiden, bin ich gerne bereit, doch hoffe ich auch, noch dafür arbeiten zu können".

Metzgers Friedensgesinnung ist aus den Erfahrungen des 1. Weltkrieges erwachsen. Dagegen könnte zunächst sprechen, daß sich Metzger 1914 freiwillig als Divisionspfarrer gemeldet hat. Er tat es, wie er immer wieder betont: "Ich hing an meinen Soldaten, denen ich stets zur Seite stand und die auch mich gern hatten". - eine sicher ehrenwerte Einstellung. Dann aber wurde er bereits im Sommer 1915 wegen einer schweren Krankheit frontuntauglich. Seine Erfahrungen an vorderster Front in Frankreich und seine Kriegserlebnisse veränderte ihn so, daß es für ihn nur noch einen Weg gab: Dem Frieden in der Welt fortan mit allen Kräften in Wort und Tat zu dienen. Mitten im Krieg begann er - oft als Einzelkämpfer - seine weltweite Friedensoffensive. Er gründete bereits 1915 in Graz einen kleinen Verlag, den Vorläufer des heutigen Kyrios-Verlages in Meitingen, um wortgewaltig wie er war seine Friedensgedanken zu verbreiten. Aus kleinen Anfängen und im Bund mit kleinen Gruppen von Friedensfreunden gründete er 1917 ebenfalls in Graz den "Weltfriedensbund vom Weißen Kreuz", der später in den "Friedensbund Deutscher Katholiken" überging, die große Friedensbewegung deutscher Katholiken in den 20er Jahren. Es seien nur die anderen internationalen Friedensbemühungen genannt, die teils vom Weltfriedensbund initiiert wurden teils in enge Verbindung mit ihm traten wie die "Katholische Internationale" (Haag 1920), die "Katholische Weltjugendliga" (1920) und der "Internationale Versöhnungsbund" (1919). Metzger war von nun an bei den meisten Tagungen und Konferenzen anwesend, die auf nationaler und internationaler Ebene zwischen den beiden Weltkriegen stattfanden. Seinen ersten großen Auftritt hatte er 1921 beim "Congrès démocratique international de Paris"; 1923 fand der 3. bedeutsame Kongreß der "Katholischen Internationalen" in Konstanz statt; Metzger trat dabei zusammen mit Gröber auf. Besonderes Aufsehen fand seine Rede beim "Internationalen religiösen Friedenstag" in Haag 1928; Ärgernis erregte seine Teilnahme und Ansprache bei der Kriegsdienstgegnertagung ebenfalls in Haag 1929.

Welche Friedensbotschaft hatte Metzger seiner Zeit anzusagen? Es fällt auf: Es ist im Grunde und bei fast allen Gelegenheiten die Friedensbotschaft der "Bergpredigt". Wenigstens kann dies seit etwa 1917 festgestellt werden. Damals entwarf Metzger ein "internationales religiöses Friedensprogramm", das er Papst Benedikt XV. zuschickte und das auch zur Grundlage des "Weltfriedensbundes vom Weißen Kreuz" wurde. Während Metzger in früheren Jahren mehr auf die sittliche Verfallenheit als Ursache des 1. Weltkrieges abhob, macht er nun das christlich genuine Ethos der Bergpredigt zur Grundlage einer dauerhaften Friedensordnung. Dieser Grundzug der Berufung auf die Bergpredigt hält sich von nun an durch. Selbst in den Verteidigungsschriften aus dem Gefängnis, die naturgemäß eher politisch akzentuiert sein mußten, ist noch ein Nachhall dieser tiefsten Überzeugung Metzgers zu vernehmen. Bei allem Wandel seiner Argumente für den Frieden im Lauf der Jahrzehnte bleibt Metzger so der Sicht der Bergpredigt treu.

In der Tat machte Metzger die Forderungen der Bergpredigt schon zur Zeit des 1. Weltkrieges zur lauten Mahnung gegen den Krieg. In einer Ansprache oder Predigt, deren Anlaß und Datum wir nicht mehr genau kennen, die aber aus der Zeit des 1. Weltkrieges stammt, werden Metzgers Friedensüberzeugungen besonders deutlich. An dieser Ansprache läßt sich besonders deutlich erkennen, welche Überlegungen des Friedens Metzger aus der Sicht der Bergpredigt insgesamt gewonnen hatte. Er sprach damals vom "Moratorium der Bergpredigt oder der Sintflut des 20.Jahrhunderts". Moratorium meint dabei eine Zeit, wo die Bergpredigt nicht mehr gehört oder ganz außer Kraft gesetzt wird. Die Absicht Metzgers wird gleich aus den ersten Sätzen der Rede unüberhörbar:

"Ein christlicher Engländer, Sir William Byle, hat vor kurzem das treffende Wort geprägt von dem Moratorium der Bergpredigt. Er wollte damit die überaus traurige Tatsache zum Ausdruck bringen, daß durch den grauenhaften Weltkrieg das hehre Gesetz außer Kraft gesetzt worden sei, das der Heiland der Menschheit in der Bergpredigt gegeben. Was der Engländer mit brennender Scham empfand, das fühlt wahrhaftig auch ein jeder von uns, der sich dem gewaltigen Eindruck der Worte des Heilands nicht entzieht. Was heute draußen an der Front ganz Europas sich vollzieht, dieses entsetzliche Morden der Völker Europas, es läßt sich mit allen Künsten der Sophistik und Dialektik nicht rechtfertigen vor dem Geist der Bergpredigt, vor dem Gesetz des Herrn! Das Gesetz des Heilands ist das Gesetz der absolutesten Lauterkeit und Ehrlichkeit."

Aber Metzgers Angriff bleibt nicht bei einer globalen Anklage gegen die Mächtigen stehen, die in den Krieg getrieben hatten, sondern seine Sicht geht in die Tiefe der Zeit, und das ist ein Kennzeichen, das Metzger ebenfalls zeitlebens prägt, er klagt vor allem das morsche und laue Verhalten der Christen an. Für ihn war es das größte Ärgernis, daß der Krieg auf dem Boden des christlichen Abendlandes entfacht und angezettelt wurde, wo doch eigentlich die Bergpredigt Jesu gelebt werden sollte. Aber darin hatten die Christen nach seiner Meinung gerade versagt, so geiselt er die Lage der Christenheit in derselben Ansprache:

"Das Moratorium der Bergpredigt! Es ist eine erschütternde Tatsache: Das Gesetz des Heilandes gilt nichts mehr im Weltkrieg des 20.Jahrhunderts.

Aber! Es wäre wahrhaftig ein Irrtum, wenn man annehmen möchte, das christliche Europa hätte bis zum 29.Juli 1914 sich an das Gesetz der Bergpredigt gehalten, und an dem einen Morgen des Kriegsausbruches wäre plötzlich das Gesetz des Heilands außer Kraft gesetzt, vergessen worden. O nein! Das Moratorium der Bergpredigt datiert nicht erst vom Juli 1914. An jenem Unglückstag, da der Krieg Europas seinen Anfang nahm, da fielen nur gleichsam die schützenden Kleider, welche die Blöße Europas deckten, von dem nackten Körper. Und Europa ward offenbar in seinem entsetzlichen Aussatz der allgemeinen Unwahrhaftigkeit und Verlogenheit, der Grundsatzlosigkeit und Gesinnungslosigkeit, der erbärmlichen Genußgier und Habgier, der niedrigen Selbstsucht und rohen Ungerechtigkeit. Das Moratorium der Bergpredigt galt schon lange als stillschweigendes Gesetz. An jenem unheilsvollen Tag, da ward das unchristliche Gesetz öffentlich als Recht erklärt, die Bergpredigt vor aller Welt außer Kraft gesetzt. Die Sündflut war schon lange da als allgemeine Verkommenheit, Charakterlosigkeit und pharisäische Heuchelei...".

Worauf wollte Metzger hinaus? Er buchstabierte die sieben Seligpreisungen in der Kriegssituation durch und wollte damit zu einer echten Friedensgesinnung aus dem Geist der Bergpredigt hinführen. Als Beispiel mögen seine Darlegungen zur Preisung "Selig die Friedensstifter" gelten:

"Selig sind die Friedensstifter! Sie werden Kinder Gottes genannt werden! O wie hungert die Menschheit nach dem, der es vermöchte, ihr den Frieden zu geben! Und doch! Der Friedensstifter will nicht kommen, weil es zu wenig wahre Friedensgesinnung unter uns allen gibt und daher zu wenig Friedenstifter! Friedensgesinnung, das ist die Gesinnung echter Brüderlichkeit, die Gesinnung der Nachgiebigkeit und Versöhnlichkeit, der Selbstbescheidung und der Demut. Wo ist diese Gesinnung zu Hause? Etwa bei den Christen von heute? Ist vielleicht die Art des persönlichen Verkehrs zwischen den Christen eine andere als zwischen den Heiden und Ungläubigen? Ist es noch so wie einstmals, daß die Leute bewundernd auf uns Christen deuten und sagen: Seht, wie sie einander lieben! Ist kein Streit und kein Hader zwischen uns? Ist es so, wie es der Heiland verlangt, daß der Zorn zum wenigsten untergehen soll mit dem Untergehen der Sonne? Und wenn wir leider bekennen müssen, daß wir im persönlichen Verkehr so wenig friedfertige Christen sind, die in allem Rücksicht aufeinander haben und einander willig verzeihen, ist es vielleicht im öffentlichen Verkehr der Katholiken anders? Seht einmal hinein in manche unserer katholischen Zeitungen und Zeitschriften! Schaut zu, ob hier der Geist der Milde und Versöhnlichkeit in allem waltet, wie es der Heiland durch sein Vorbild gewährt...".

Die Auszüge aus dieser frühen Rede Metzgers mögen zugleich eine Kostprobe gewesen sein von der Vehemenz und Brillanz, mit der er an vielen Orten die Sache des Friedens zu vertreten wußte. Aber seine Forderungen blieben nicht in Rhetorik stecken. Metzger entwarf mit Hilfe der Seligpreisungen einen politisch-moralischen Ehrenkodex des Friedens, auf dessen Grundlagen allein er die Zukunft Europas gewährleistet sah. Er sprach vom "Gesetz des Heilands", dem auch in unserer Zeit zur Geltung verholfen werden mußte: Die Bergpredigt fordert nach ihm auf zum Gesetz der "absoluten Lauterkeit und Ehrlichkeit", zum Gesetz der "Güte und Sanftmut", der "Barmherzigkeit" und "Feindesliebe", zum Gesetz des "Strebens nach Gerechtigkeit" und der "Nachsicht und Versöhnlichkeit". Das Gesetz der Bergpredigt sollte zuerst von den Christen respektiert werden, dann aber hatte es für Metzger sogar Weltgeltung.

Metzger blieb ein einsamer Rufer in der Wüste. Aufsehen erregte er, als er 1917 dem damaligen Papst Benedikt XV. - also noch mitten im Weltkrieg - seine Friedensbotschaft in einem persönlichen Schreiben zukommen ließ. Dazu hatte er ein "Zwölf-Punkte-Friedensprogramm" entworfen, das auch heute noch geradezu modern anmutet. Darin fordert er u.a. die Aufgabe des Rassen- und Klassenkampfes, warnt er vor dem Geist krassen Materialismus, ruft er auf zur Besinnung auf sittliche und kulturelle Werte, appelliert er für ein Ende des sinnlosen Wettrüstens und stattdessen für den Einsatz aller Kräfte und Mittel zur Beseitigung von Hunger und Armut, plädiert er für das Selbstbestimmungsrecht der Völker bzw. der Volksgruppen und für die Absage an alle Machtpolitik. Sein Friedensprogramm basiert schließlich im wesentlichen in dem "Aufgeben des Machiavellismus in der Politik und seine Ersetzung durch die Grundsätze des Christentums", die er in den Punkten 10 - 12 niedergelegt hatte, Grundsätze, die für ihn sind: "Wahrhaftigkeit, Ehrlichkeit, Selbstlosigkeit, Gerechtigkeit, Nächstenliebe, Hilfsbereitschaft, soziale Verantwortlichkeit" - es sind unüberhörbar die Grundsätze der Bergpredigt selbst, die Metzger hier im staccato wiederum anführt. Der damalige Papst hat die Botschaft wohl vernommen; er hat persönlich an den Weltfriedensbund antworten lassen, um dessen Initiative für den Frieden zu begrüssen und auch seinerseits die christlichen Grundlagen der Bergpredigt zu unterstreichen. Aber auch ein Papst Benedikt XV. konnte über diese Gutheißung hinaus nicht viel mehr für den Weltfrieden tun. Die Kriegsmaschinerie rollte unbeeindruckt weiter.

Und noch einmal sieht sich M.J.Metzger gezwungen, gegen die türmenden Mauern eines neuen Weltkrieges anzurennen und wiederum bei der höchsten Instanz der Christenheit zu appellieren. Es ist im Advent 1939. Metzger ist im Gefängnis von Augsburg inhaftiert. Dort verfaßt er ein bewegendes Dokument, das an Papst Pius XII. adressiert ist. Ob es dem damaligen Papst je zu Gesicht gekommen ist, wissen wir heute nicht mehr, jedenfalls ist von einer Reaktion des Papstes nichts bekannt. Gleichwohl ist die prophetische Schau, die darin von Metzger zum Ausdruck kommt, von erstaunlicher Klarheit. Es ist auch ein Dokument dafür, daß sich Metzger in der Sicht der Sache des Friedens seit den Anfängen treu geblieben ist. Wenn ich aus dem Schreiben nun eine Passage zitiere, so werden wir uns wiederum sofort an Metzgers alte Besorgnis um die Lage der Christenheit und dementsprechend an seinen Appell, sich doch endlich auf die christlichen Friedensgrundsätze der Bergpredigt zu besinnen, erinnert fühlen. So nur könnte ein Weltkrieg, dessen kosmische Ausmaße Metzger heraufkommen sieht, in letzter Stunde vermieden werden. Metzger schreibt an Pius XII.:

"Heiliger Vater!... Ich leide darunter, daß seit Monaten wieder die Völker widereinander stehen und gegenseitig auf ihr Verderben sinnen. Völker, die durchwegs die Botschaft Jesu Christi gepredigt erhielten und sich fast alle zu Seinem Namen bekennen... Ist ihnen das Christentum nur eine leere Phrase?... Oder sind sie rettungslos verkauft an die Mächte der Finsternis, die ihnen das Urteil und die Freiheit des Handelns nehmen? Hat die Kirche keinen Einfluß auf das Weltgeschehen und muß dieses dem Spiel des Bösen überlassen? Oder sind wir Christen alle lässig geworden und schwach im Glauben, daß wir nicht mehr dessen bergeversetzende Kraft verspüren? Ist das Salz schal geworden und der Sauerteig fade, daß die Welt nicht mehr durch diese Kraft vor Fäulnis bewahrt und innerlich umgestaltet werden kann?

Vielleicht liegt eine zwingende Logik im Geschehen dieser Tage. Wo das Gesetz der göttlichen Ordnung (d.i. der Bergpredigt - Red.), die auf Wahrheit, Gerechtigkeit und Liebe das Zusammenleben der Menschen gründet, verlassen wird, gibt es nur Krieg und Untergang. Dann ist, was wir erleben, die Generalprobe des Weltgerichts."

Metzger weist dann darauf hin, daß, was er sieben Jahre zuvor an den Vorgänger Pius XII. geschrieben habe, um den Anfängen zu wehren, die ein hemmungsloses Wettrüsten erkennen und eine weitere Weltkatastrophe ahnen ließen, nun im Jahre 1939 leider in großem Ausmaß schon eingetroffen sei. Aber auch hier blieb die mahnende Stimme Metzgers einsam in der Wüste. Sie mahnt aber noch uns, die Friedensbotschaft der Bergpredigt auch heute nicht leichtfertig abzutun.

In einer solchen Gesinnung trat Metzger vor seine Richter. Er ahnte wohl, daß er bei diesen wenig Verständnis für seine Gedanken des Friedens finden werde, wenn er am Schluß der Verteidigungsschrift gegenüber dem Untersuchungsrichter äußert: "Ich weiß, daß das hohe Gericht die Gedankengänge, die ich hier entwickelt habe, nicht anerkennt. Aber es wird mir gewiß die Achtung nicht versagen können... Es wäre gewiß eine furchtbare Tragik, wenn ein Mann, der uneigennützig sein Letztes einsetzt, um seinem Volk in der Stunde der Not zu dienen, die Ehre als Deutscher genommen bekäme und zum Verbrecher gestempelt werden müßte".

Quelle: Uni Augsburg