Synagoge, Augsburg

Synagoge

Augsburg, Halderstr. 6

Foto der Synagoge in Augsburg


In den Jahren von 1913 bis 1917 wurde das jüdische Gotteshaus auf einem herrlichen Gartengrundstück in der Halderstr. von Dr. Heinrich Lömpel und dem jüdischen Architekten Fritz Landauer errichtet und am 4. April 1917 an die israelitische Kultusgemeinde seiner hl. Bestimmung übergeben. Der Bau zählt zu den bedeutendsten Prachtbauten des Spätjugendstils in Europa und kostete rund 1000 Goldmark. Früher war die Synagoge in einem Wohnhaus in der Wintergasse untergebracht. Angebaut sind heute eine kleinere sogenannte Alltags- oder Hochzeitssynagoge.

Auf dem Dach sitzen rechts und links neben der großen Kuppel jeweils ein Löwe, als Sinnbild für den Stamm Juda, der die Löwen in seinem Wappen trägt.

Der Grundriss der Augsburger Synagoge beträgt 27 m Länge, ist 27 m breit und 27 m hoch. Die Kuppel hat einen Durchmesser von 16 m. Der grosse siebenarmige Leuchter auf der östlichen Empore, auf der vor dem Krieg einmal eine Orgel stand, entspricht den sieben Schöpfungstagen.

Kirchenmusik ist jedoch in der orthodox geprägten jüdischen Gemeinde nicht erwünscht, es wird nur gesungen.

Die Sitzordnung ist immer nach Osten ausgerichtet, wobei der Thoraschrein immer im äußersten Teil der Ostseite untergebracht ist. Den Thoraschrein ziert an den hohen Feiertagen ein weißer Vorhang, sonst ein roter. In der Synagoge sitzen die Frauen auf der Empore, während die Männer im Altarraum weilen. Zur Auslegung der Bücher Mose kommt die versammelte Gemeinde an das Vorbeterpult.

Der Lichterkranz in der Kuppel soll die Planeten darstellen, sinnbildlich für den Himmel in dem man sich wohlfühlen soll. Das Licht ist gedämpft, da der siebenarmige Leuchter heller scheinen soll. Synagogen sind normalerweise immer schlicht gestaltet, da aller Pomp als Gotteslästerung angesehen wird; siehe das erste Gebot: "Du sollst keine anderen Götter neben mir haben". Jedoch sind in jeder Synagoge die zwei Altarsäulen auf denen die beflügelten Löwen die siebenarmigen Leuchter tragen zu sehen. Die zweigeteilten Embleme sind zu je zwei Stück an der linken, rechten und mittleren Empore angebracht, die die zwölf Stämme Israels bedeuten. Die Rabbinerkanzel ist rechts und links mit Säulen an denen Lilien ranken begrenzt. Von oben betrachtet kann man sehr gut erkennen, dass die zehn Gebote Gottes von zwei Engeln gehalten werden. Kornähren und Weintrauben umranken das Bildnis. Die Schrift bedeutet: "Wisse vor wem Du stehst"! Über dem Altarraum sind die Symbole der fünf höchsten Feiertage angebracht. Dies sind der Auszug aus Ägypten, Verheißung der zehn Gebote, Laubhüttenfest, Buß- und Gedenktag, und der höchste Feiertag das Versöhnungsfest. Die drei großen Säulen stellen jeweils Lebensbäume dar, einmal mit Wein, dann mit Ähren, mit Laub und den vier Kronen. Die vierte Säule zeigt eine Palme als Lebensbaum, in der die Taube die Noa nach der Sintflut einen Ölzweig überbrachte, nistet. Links neben der Palme ist eine sprudelnde Lebensquelle zu sehen.

Die Erläuterungen zu den vier Kronen und Erklärungen zur Thorarolle sind im Talmut nachzulesen. Der Talmut wird auch für die Gerichthaltung angewandt, für Entscheidungen über das Gesetz. Die Thorarollen sind das Zentrum des Gottesdienstes. Früher waren über 40 Torarollen in Augsburg. Der Text der Thorarollen werden in hebräisch auch heute noch auf extra gegerbte Lammhäute mit dem Gänsefederkiel per Hand geschrieben. Wird ein Fehler gemacht, muß nochmals von vorn begonnen werden, da dies die hl. Schrift der Juden ist.

Dann werden die Häute zusammengenäht und von beiden Seiten her aufgerollt.

Die Thorarollen liegen alle in einem heiligen Schrein, der künstlerisch verziehrt ist. Auf dem Samttuch, das den hl.Schrein bedeckt, werden die Säulen den Heiligtums dargestellt. Darauf sitzen die zwei Löwen aus dem Stamme Juda und halten die aufgeschlagene Thorarolle, auf der die 10 Gebote Gottes geschrieben sind. Darüber ist eine Krone als Sinnbild für die Gegenwart Gottes dargestellt. Auf dem Schrein sind kleinere Kelche wieder geschmückt mit einer Krone angebracht, an dessen Zacken und Enden kleine Glöckchen hängen.

Wird nun die Thorarolle aus dem Schrein genommen, erklingen die Glöckchen und die Gemeinde steht bei der Liturgiefeier auf. Die Thorarollen bestehen aus den fünf Büchern Mose, dem Buch der Könige und dem der Propheten. Im ersten Buch Mose wird zitiert, dass nur zweihufige Tiere gegessen werden dürfen. Diese wiederum dürfen nicht mit Milch in Berührung gekommen sein, sonst sind sie nicht mehr rein. Der orthodoxe Jude hat verschiedenes Geschirr, einmal für Milch und Milchprodukte und einmal für Fleisch. Die Geräte dürfen auch nicht zusammen gereinigt werden. Wenn er sich nicht sicher ist z.B. bei Besuchen, ob das Essen "koscher" ist, darf er es nicht essen. Die reformierten oder liberalen Juden nehmen es mit den Essgewohnheiten nicht mehr so genau.

Der Schabat ist der absolute Ruhetag im Judentum. Es darf nicht gearbeitet werden, kein Feuer entzunden werden und es dürfen keine elektrischen Geräte benutzt werden. (Der Funke gibt Feuer). In der Neuzeit werden die Arbeiten hauptsächlich durch Programierungen z.B. beim Herd, gesteuert. Früher wurde alles vorbereitet. Am Schabat wird sehr gut gegessen und der Tag wird sehr festlich begangen. Die Liturgie am Schabat wird genau festgelegt, sodass an diesem Tag überall auf der Welt die gleichen Texte gelesen werden.

Die Kinder lernen ab fünf Jahren hebräisch und sind mit zwölf bis dreizehn Jahren religionsmündig. Die Frau hat die Aufgabe Ihren Kindern im Alltag den jüdisch-orthodoxen Lebensstil beizubringen z.B. koscher kochen. Der Mann muß die Thora an die Kinder weitergeben. Die Zugehörigkeit zum Stamme der Juden kann immer nur durch die Mutter weitergegeben werden. Eine jüdisch-orthodoxe Liturgie kann ab zehn Personen gefeiert werden. Dazu bedarf es nicht ausdrücklich eines Rabbiners. Jeder der zehn Personen kann ein Amt zur Feier übernehmen, wie es besonders in ländlichen Gegenden gemacht wird. Der Rabbiner ist eher zur Erhaltung der Sitten und Gebräuche, aber auch für die Anliegen seiner Gemeinde zuständig. Ein orthodoxer Rabbi gibt keiner Frau die Hand.

Die Männer müssen im Gotteshaus eine Kopfbedeckung tragen, die Frauen sollten im Rock gehen. Reformierte bzw. liberale Juden sind in Augsburg nach dem 2. Weltkrieg nicht mehr anzutreffen. Die orthodoxen Juden kristallisierten sich hier in Augsburg aus der sogenannten Einheitsgemeinde, die nach dem 2. Weltkrieg geschaffen wurden, heraus. Seit 1997 gibt es in Augsburg wieder einen jüdisch-orthodoxen Rabbiner.

Den 2. Weltkrieg hat die Synagoge in der Feuer gelegt wurde, relativ gut überstanden, da die Bewohner der angrenzenden Häuser schnell die Feuerwehr holten um den Schaden an Ihren Häusern gering zu halten. Danach wurden die Schätze und Thorarollen abgeholt und die Synagoge wegen ihrer hohen Kuppel als Flag-Station genutzt.

Nach der Beschädigung in der Reichskristallnacht im November 1938 wurde die Synagoge als Lagerraum missbraucht. Die Renovierung der Synagoge wurde von 1975 bis 1985 durchgeführt und kostete rund 4,5 Millionen Mark. An die israelitische Kultusgemeinde wurde das Gebäude mit der Auflage übergeben, dass das Museum und die Synagoge für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden muß.

Zur Zeit hat die jüdisch-orthodoxe Gemeinde Augsburg-Schwaben ca. 300 Mitglieder.

Im Innenhof steht der Lebensbrunnen, das Becken wird von vier Widdern (Zweihufern) in weiblichen Körpern (Sphinx) getragen. Ursprünglich ragte aus dem Brunnenbecken, das an die Opferstätte im salomonischen Tempel in Jerusalem erinnern soll, als Sprudelquell der Lebensbaum heraus, der jedoch beschädigt wurde.

Fritz Landauer hat als einer der ersten jüdischen Architekten im Alter von ca. 30 Jahren die spätjungendstil geprägte Synagoge erbaut. Sie zählt zu den bedeutendsten Prachtbauten dieser Epoche in Europa.

Ebenso sind von ihm noch Wohnhäuser in der Nibelungenstrasse und an der Ecke Burgmairstr. / Frölichstr. hier in Augsburg erhalten.